Selbst-Bewusstsein

Muttersein


Es ist Muttertag. Ein weiterer Tag, an dem deklariert wird, was „man“ zu feiern hat. Glücklicherweise wurde der Muttertag in meiner Familie nicht zum sakrosankten Feiertag erhoben. Im Gegenteil. Meine Mutter wehrte sich dagegen, auf Kommando gefeiert zu werden. Heute bin ich ihr dankbar dafür. Gerade deswegen, weil meine Kinder nämlich heute bei ihrem Papa sind. Das ist gut so. Ich fühle mich deswegen nicht vernachlässigt oder missachtet. Im Gegenteil. Ich kann diesen Tag ganz nach meinem Gutdünken gestalten. Zum Beispiel mit Nichtstun oder auch mit Yoga üben. Oder mit Schreiben. Und ich muss keine Gedanken daran verschwenden, was „man“ (=ich) an diesem Tag alles hätte organisieren können/dürfen/sollen für meine eigene Mutter. So wie auch meine Kinder es nie tun werden müssen.

Vielmehr geht mir anderes durch den Kopf.

Von wegen Gedanken verschwenden und Muttersein. Eine Freundin hat mich auf eine intelligente Website aufmerksam gemacht. Diese virtuelle Emma (der Name ist kaum zufällig gewählt) bringt es in einem Artikel ziemlich auf den Punkt: (auf französisch halt, aber mit Comics illustriert)

Ihre Aussage: Mütter sind Managerinnen und Ausführende in einer Person. Sie tragen die ganze Bürde: einerseits legen sie die Strategie fest (an alles denken) und sind andererseits auch operativ (fast) voll eingebunden (Haushalt und Kinderbetreuung). Kommt hinzu, dass wir Frauen häufig gleichzeitig im Berufsleben stehen und dort ebenfalls Verantwortung tragen.

In einem Unternehmen, so Emma weiter, ist man selten Projektleiterin zu 100% und gleichzeitig zu grossen Anteilen in der Produktion tätig. Diese Rollen werden wegen Überlastungsgefahr getrennt. Oder es führt zu Job-Sharing.

Nun, die Väter, die sehen das meistens etwas anders. Sie meinen, zu gleichen Teilen mitzutragen an der Alltagslast. Das mag aus ihrer Perspektive so sein. Sie machen viel. Häufig aber nur das, was Frau ihnen aufträgt. Sie entlasten demnach „strategisch“ ihre Partnerinnen kaum.

Viele Frauen tragen also eine doppelte Bürde. Zuhause und im Beruf. Diese führt oft zu Frust und zu Streit zuhause. Was dann die Partner nicht verstehen. „Frau“ hätte ja nur was sagen brauchen, und sie würden mithelfen. Nicht mitdenken, wohlgemerkt. Nun. So einfach ist es nicht. Wenn wir Aufträge verteilen müssen, um entlastet zu werden, erledigen wir trotzdem den Management-Teil, der schwerwiegender ist als die Umsetzung. (Jedenfalls gilt diese Bewertung als unbestritten in der Betriebswirtschaft.) Für eine wahre Entlastung muss der Partner die volle strategische Verantwortung übernehmen, wenn er dran ist. Heisst also, an vieles denken und nicht nur viel erledigen.

Andererseits: Müssen wir die Hausarbeit und Kinderbetreuung mit der Brille der Ökonomie betrachten? Unternehmen Familie? Muss alles „gerecht“ verteilt sein? Und – wer sagt, was „gerecht“ bedeutet? Das ist eine sehr individuelle Beurteilung. Ich bewundere übrigens das Familienmodell, wo sich ein Elternteil entschliesst, Vollzeitmutter oder –vater zu sein. Keine leichte Aufgabe – ausserdem mit geringem Anerkennungsfaktor. Und mit ökonomischen Konsequenzen.

Ausserdem: Ist es nicht auch so, dass wir Frauen oft nicht delegieren können, und, dass die Partner häufig in einem anderen Bereich eine „mentale“ Last tragen? Mit einer Arbeit, die die Existenz der Familie sichert? Nun, in Westeuropa sind die Frauen ökonomisch selten mehr total abhängig, sondern beide tragen zum Familieneinkommen bei. Würde also bedeuten, dass die Männer durchaus beim Job-Sharing zuhause mithelfen können. Was auch heisst, dass sie mitdenken lernen müssen und wir es zulassen. Das braucht Zeit, viel Wohlwollen, Abstimmung, Rollenklärung, Aufgabenteilung. Teamsitzungen. Immer wieder. Wie man es ja auch vom Beruf her kennt.

Ich weiss, es ist ein sehr komplexes Thema und ich will in keiner Weise „die Männer“ verurteilen. Das wäre zu einfach. Es ist halt so, dass sich die Realität in den letzten hundert Jahren verändert hat und die herkömmliche Rollenverteilung nicht mehr dieser Komplexität gerecht wird. Einfacher wird es sicher nicht. Aber vielleicht abwechslungsreicher und etwas „ausgeglichener“. Rollenmuster können sich ändern.

Darum: ein Hoch auf die Job-Sharing am Muttertag.

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