Ich bin verzaubert, als sie aus dem Nichts sagt: «Fall in love with your breath.» Verliebe dich in deinen Atem. Wie hinreissend liebevoll! Ich folge einer Online-Meditation von Julie Martin, einer meiner Lieblingsyogalehrerinnen. Nur zehn Minuten. Dazu kann ich mich motivieren. Sie fordert mich auf, meinen Körper von den Zehen bis zum Kronenpunkt durchzuscannen. Mein Röntgenblick wandert inwärts gerichtet durch meine Glieder. Etwas verspannt in den Schultern, der Kiefer könnte lockerer sein, die Stirnfalte etwas weniger streng. Dazwischen: den Atem liebevoll beobachten. Immer wieder. So starte ich in den Tag.
Wie sorge ich gut für mich (und damit für andere) in belastenden Zeiten wie diesen? Die Krise rund um das Virus und die Folgen davon sind umfassend und beeinflussen unser Leben in einer Weise, wie es vorher weltweit noch nie so geschehen ist.
Das Zuhausebleiben fordert und fördert umsichtigen Umgang mit schwierigen Lagen. Dazu gehört zuallererst der Umgang mit unseren Ressourcen. Die Mutter aller Ressourcenpflege ist für mich die Selbstfürsorge. Gerade jetzt braucht es sie umso mehr!
Was heisst Selbstfürsorge eigentlich? Es geht um Vorbeugung. Darum, dass wir gut auf unser «Energiekonto» aufpassen, wenn es brenzlig wird: Stress bei der Arbeit oder privat, emotionalen Stress, Krankheit, Unfall, was auch immer uns in einen Notfall-Modus bringt, verhindert umsichtiges Handeln, weil unser Hirn dann nicht mehr überlegt und ruhig agiert, sondern im Überlebensmodus. Mit Selbstfürsorge kümmern wir uns präventiv darum, dass möglichst viele Posten unseres Vitalitäts-Kontos gut aufgefüllt sind und wir in der Krise darauf zurückgreifen können. Flasche voll anstatt leer, sozusagen.
Mein «Vorsorge-Kit» ist einfach, variabel und nicht abschliessend:
- Tagebuch schreiben und alles niederschreiben, was mich gerade beschäftigt. Fotos vom Tag machen und in einem Album ablegen.
- Schreibübungen, von Hand, am liebsten mit einem Bleistift oder einem weichen Tintenschreiber. Das Physische daran gefällt mir, die direkte Verbindung zwischen Kopf und Körper. Es ist intuitives Schreiben: Ohne auf Qualität oder Logik und Chronologie zu achten schreibe ich zehn Minuten am Stück über – sagen wir – Schokolade. Was das Wort alles an Erinnerungen , Bildern oder Gedanken hervorbringt…
- Innehalten. Sich Zeit nehmen. Kann ich ja jetzt mehr als sonst. Für alles Mögliche.
- Ich skizziere Bilder, die mich ansprechen. Vorzugsweise aus Pinterest.
- Bewegung. Ganz ganz essentiell. Draussen in der Natur oder drinnen auf der Matte. Einmal kräftigende Übungen, dann wieder nur Dehnen. Tanzen, Tanzen, Tanzen. Allein oder in einer improvisierten Online-Video-Klasse mit Freundinnnen. Yoga, Kopfstand auf dem tollen Gerät, das es so einfach macht. Nach draussen gehen, walken, rennen, flanieren, sitzen. Zu Fuss einkaufen.
- Die Natur wahrnehmen, wie sie spriesst, zwitschert, windet, duftet.
- Atmen. Bewusst. Manchmal nur 3 Mal. Manchmal länger bei einer Meditation. Solche Apps gibt’s haufenweise. Fall in love with your breath. Hell yeah.
- Körperpflege: Wieder mal eine Pédicure gefällig? Ein Ganzkörper-Peeling? Eine Haarpackung? Gesichtsmaske? Massage mit einem Ball? Herrlich, sich so zu verwöhnen.
- Lesen, lesen, lesen. Zum Glück gibt’s alles online zu haben. Die alten Bücher durchstöbern und plötzlich entdecken, welche Schätze im Bücherregal eigentlich versteckt sind
- Pflanzen säen
- Genügend Schlaf. Unbedingt.
- Leckere Rezepte ausprobieren, das Essen geniessen.
- Mit meiner Familie reden, via Videoanruf, Chat, Telefon. Bilder austauschen
- In Kontakt bleiben mit Freundinnen und Freunden
- Neue Projekte anreissen, die ein Ziel vor Augen geben. Zum Beispiel Hochbeete im Garten zu bauen. Oder ein Buch schreiben? Endlich meine afrikanische Laute besser spielen lernen? Oder nur die Lampe in der Küche richtig montieren?
- Eine Standortbestimmung vornehmen. Wo stehe ich heute? Was ist mir heute wichtig? Was motiviert mich und wo möchte ich in 10 Jahren stehen?
- Horoskop lesen und überlegen, passt das jetzt, oder möchte ich gerade nicht daran glauben?
- Lachen! Giggele. Gröle. Grinsen. Allein, mit den Kindern, mit Freundinnen aus der Distanz, wegen einem lustigen Video, einem Buch (Helge Timmerberg!), einem Foto
- …
So bin ich gestärkt und genährt und gewappnet für alles, was kommen mag.
P.S.: Seien wir dankbar, dass wir in unseren Breitengraden in solchen Verhältnissen leben dürfen, die uns Selbstfürsorge überhaupt erlauben.